Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 10. Dezember.

Es ist mit dem heutigen Tag ein Monat seit Abschluß des Waffenstillstandes verflossen. Die deutschen Truppen haben Frankreich, haben Belgien, haben Elsaß-Lothringen und die Rheinprovinz geräumt. Über Köln weht die englische, über Koblenz die amerikanische, über Mainz die französische Flagge. Die verbündeten Heere stehen am Rhein. Ein Teil der Bewohner Deutschlands wird jetzt zu fühlen bekommen, was die belgische und französische Bevölkerung unter dem Druck der deutschen Besetzung vier Jahre lang ertragen musste. Die Verordnungen der Generale der Besatzungstruppen atmen Wiedervergeltung und sind von Rachegefühlen diktiert.

So eine belgische Bekanntmachung in Jülich:

«In Ausführung der militärischen Machtbefugnisse, in die ich für Jülich eingesetzt worden bin, und im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung befehle ich hiermit, dass die ganze Zivilbevölkerung die vorübergehenden Offiziere durch Abnehmen der Kopfbedeckung zu grüßen und hierbei den Bürgersteig zu verlassen hat. Wer diesen meinen Befehl Übertritt, wird festgenommen und nach durchgeführtem Verfahren erschossen. Den betreffenden Einwohnern sowie der Stadt wird außerdem eine Geldbuße auferlegt.»

Wer nicht grüßt, wird erschossen! Preußische Methoden. Das wird sogar zugegeben. Die Erlasse sollen wörtliche Wiederholungen der Erlasse sein, die die Deutschen in Belgien affichieren ließen. Aber wir hofften doch, dass der preußische Militarismus und seine Methoden erschlagen wurden. Haben wir uns getäuscht? Er lebt auf durch diese Nachahmungen.