Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Thun, 27. Juni.

Aus Genf wird unter dem 24. Juni in allen Zeitungen berichtet:

«Der am 24. Dezember 1914 in Genf stattgefundenen Zusammenkunft zur Gründung eines Weltbundes zum Schutz der Tiere im Krieg (Roter Stern) folgt heute und morgen eine zweite internationale Konferenz, auf der der Weltbund endgiltig gegründet werden soll. Aus vielen europäischen und einigen Überseeländern sind Abgeordnete erschienen. Deutschland ist mit der beträchtlichen Zahl von 77, Österreich-Ungarn mit 11 Tierschutzvereinen vertreten. Der Berliner Tierschutzverein hat seinen Geschäftsführer Karl Krämer mit der Wahrung seiner Wünsche auf dem Kongress beauftragt. Zu Ehren der Gäste fand gestern im Palais Eynard ein Empfang durch die Stadt Genf statt. Der hiesige deutsche Konsul Ludowici vertrat im Auftrage des deutschen Gesandten das Deutsche Reich».

Glückliche Tiere! Eine ärgere Ironie auf die angeblich göttliche Institution des Kriegs kann man sich gar nicht vorstellen. Wenn man denkt, dass wir Pazifisten, die wir doch nichts andres betreiben als Menschenschutz, verhöhnt, verlacht, bekämpft, als Vaterlandsfeinde ausgeschrien werden, und hier das Wohlergehen der Tiere mit allem Nachdruck staatlicher Unterstützung betrieben wird, kann man an dem Jahrhundert irre werden.

Wenn es in Zukunft noch zu Kriegen kommen soll, wird das Tier, werden Baudenkmäler, Saatfelder, Maschinen durch Abkommen auf das peinlichste geschützt werden, nur der Mensch wird den taktischen Notwendigkeiten in Hekatomben geopfert werden dürfen. Man spreche mir nicht vom «Roten Kreuz». Das ist nicht Menschenschutz, sondern nur Schutz der zufällig Übriggebliebenen. Menschenschutz ist allein Kriegsabschaffung!