Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 19. Dezember.

Statt des Mitte Dezember für Bern geplant gewesenen Studienkongresses für einen dauerhaften Frieden fanden vorgestern und gestern hier kombinierte Sitzungen des internationalen Vollzugsausschusses mit dem hiesigen Kongresskomitee statt. Der Vollzugsausschuss war nur teilweise vertreten. Ein grosser Teil der Mitglieder konnte wegen der Grenzsperre nicht erscheinen. Man arbeitete in spannungsvoller Erwartung der Grenzeröffnung. Als diese endlich am 17. eintrat, waren die andern fremden Delegierten schon nach Hause gereist. Man einigte sich für die unbedingte Durchführung des Kongresses in der Schweiz. Das Datum soll im geeigneten Moment bekannt gegeben werden. Sicherlich werden Zeitungsrowdies, die jetzt alles, was irgendwie mit dem Wort Frieden zusammenhängt als vogelfrei ansehen, hier wiederum Lügen, Spott und geistigen Unrat über die Vorgänge ausgiessen. Von den an dem Nichtzustandekommen des Kongresses interessierten Gegnern werden sie dabei hilfreich unterstützt werden.

Die höhnende «Journaille» hat sich jetzt mit Allgewalt auf das Unternehmen des Amerikaners Ford geworfen, der mit einem eigens gecharterten Schiff, auf dem er eine Anzahl Pazifisten vereinigt hat, die neutralen Länder Europas bereisen will, um dort für Friedensvermittlung zu propagieren. Das Unternehmen mag vielleicht nicht sehr wirkungsvoll sein, die amerikanische Art der Aufmachung entspricht nicht immer dem europäischen Geschmack. Dennoch wird man den Willen achten müssen, der diesem Argonautenzug zugrunde liegt. Aber eine dem Gassengeschmack gegenüber immer dienstbeflissene Berichterstattung (neben der die ernste Presse nicht aufkommen kann) hat keine Achtung vor dem Wollen. Sie sucht lächerlich zu machen um jeden Preis. Es ist ein Friedensschiff mit Friedenskämpfern, deshalb muss erfunden werden, dass die Friedenskämpfer sich in den Haaren liegen. Das ist das Schema F für alle Friedensveranstaltungen. Man sollte meinen, es sei etwas abgedroschen. Keineswegs. Die mir vorliegenden Zeitungsausschnitte bringen alle lange Berichte über einen zwischen den Fahrtteilnehmern des Ford-Schiffes ausgebrochenen Streit. Die Überschriften lauten: «Krieg auf dem Friedensschiff», «Der friedlose Friedensapostel» usw. Abgesehen davon, dass die ganze Nachricht den Stempel der freien Erfindung an sich trägt, beweist der Witz, der darin liegen soll, die völlige Unorientiertheit der Zeilenschmierer über das pazifistische Problem. Als ob der Pazifismus den Streit der Meinungen aus der Welt schaffen wollte, den Konflikt überhaupt, und nicht lediglich die bewaffnete Kampfform zwischen Staaten.