Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Axenstein, 5. August.

Roger Casement ist am 3. August hingerichtet worden.

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Gestern kurze Zusammenkunft mit Dr. Friedrich Adler in Brunnen. Er erzählte viel von Österreich. Um seine Ansicht über die Zukunft befragt, meinte er, die Militärdiktatur würde bleiben, wenn Österreich bleibt. Dies stünde in Frage, wenn der Krieg noch zwei, vielleicht wenn er nur noch ein Jahr dauert. Schreckliche Willkürherrschaft der Militärgerichte, namentlich den Tschechen gegenüber, die man so behandelt, dass an ein vernünftiges Zusammenleben künftig gar nicht gedacht werden kann. Der Kramarz-Prozess war die reine Farce. Wurde auf Befehl des Oberkommandos angestrengt, das ein Opfer suchte für die Niederlage in den Karpathen. Die Offensive in Italien wurde unternommen, weil österreichische Militärkreise zeigen wollten, dass sie auch ohne deutsche Hilfe etwas leisten können, sehr gegen den Wunsch Deutschlands. Über die Offensivfähigkeit der Russen gab man sich falschen Hoffnungen hin. Man entblösste sich an der Ostfront von schweren Geschützen und anderem Material. Die Offensive kam dann völlig überraschend.

Das Interessanteste lag in der Anführung eines Indizium über den Präventivcharakter des Kriegs. Bereits im Januar 1914 erschien ein Vertrauensmann des auswärtigen Amts in München, der die Vertrauensmänner der bayrischen Sozialdemokratie, die man für politisch reifer ansah als die preussische, dahin sondierte, wie sie sich in einem Krieg verhalten würden, der mit der Parole gegen den Zarismus geführt werden solle. Also bereits Januar 1914! Ich erinnere mich, dass um diese Zeit Harden schrieb «in diesem Sommer wird Schicksal» und dass Anfangs Februar jener Alarmartikel der «Kölnischen Zeitung» gegen Russland erschien, der anscheinend etwas zu früh losgelassen wurde. So sieht also der «uns aufgedrungene Krieg» aus.