Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 18. Januar.

Montenegro bittet um Frieden! — Das ist die Nachricht, die gestern hier einige Sensation machte, als sie bekannt wurde. Im ungarischen und im deutschen Reichstag hat sie sogar brausenden Jubel ausgelöst. Täuschen wir uns nicht. Die Sensation und der Jubel galten nicht dem Ereignis, das an sich nicht von grosser Tragweite ist, sondern der Hoffnung, die es kräftigt. Der Hoffnung, dass eines Tages die Nachricht von einem allgemeinen Frieden so auftauchen wird. Nach den zahlreichen Kriegserklärungen die erste Friedensbereitschaft. Das lässt das Ereignis wichtiger erscheinen als es ist.

Bei näherer Betrachtung ist aber auch die dadurch erweckte Hoffnung trügerisch. Man ist eher berechtigt, entmutigt zu sein. Das Ereignis zeigt, welcher Art ein Sieg sein muss, um den Frieden zu erzwingen. Und trotz der anderthalbjährigen Dauer des Krieges, trotz der grossen Erfolge der Zentralmächte ist bei ihnen von einem derartigen Sieg über die Hauptgegner keine Spur. Alles weist hingegen darauf hin, den Abschluss des Krieges nicht von einem Sieg zu erwarten, wie er dem kleinen Montenegro gegenüber erreicht wurde, sondern von einem Kompromiss.