Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

8. Oktober 1914.

Gestern abend und heute werden Fortschritte bei der Vertreibung der Russen aus den ungarischen Grenzkomitaten gemeldet. Auf dem Uzsok-Pass sind bisher 8000 russische Leichen begraben worden. Achttausend Leichen! In Wien wurden gestern zwei Arbeiter zum Tode verurteilt, weil sie einen Russen ermordeten!

Die Nachrichten aus dem Westen lauten nicht sehr günstig. In dem Wettlauf der beiden Heeresflügel im Westen des Riesenschlachtfeldes ist man bereits nördlich bis Lille gelangt. Das ist ja fast bis zur belgischen Grenze. In Portugal bereitet sich etwas vor. England scheint die Republik zum Anschluss an den Dreiverband zu gewinnen.

Die Antwort des Präsidenten Wilson auf den Appell des Kaisers wird jetzt von der «Norddeutschen Allgemeinen Zeitung» veröffentlicht. Darin befindet sich ein beachtenswerter Übersetzungsfehler. In der Botschaft Wilsons heisst es nach amerikanischen Blättern, die ich in der Hand habe:

«Where wrongs have been committed, their consequences and the relative responsability involved will be assessed. The nations of the world have fortunately by agreement made a plan for much a reckoning and settlement . . .»

Nach der Übersetzung der «N. A. Z.» heisst dieser Satz: «Wo Unrecht begangen worden ist, werden die Folgen nicht ausbleiben und die Verantwortung wird dem Schuldigen auferlegt werden. Die Völker der Erde haben sich glücklicherweise auf den Plan geeinigt, dass solche Abrechnung und Einigung stattfinden muss».

Das ist falsch.

Nicht auf den Plan haben sich die Völker geeinigt, sondern über einen Plan. Das heisst nicht ad hoc sondern allgemein, das heisst kurz ausgedrückt, auf das Haager Abkommen über die Untersuchungskommissionen. Dass Wilson hier ganz deutlich auf dieses Abkommen hinweist, geht aus dem englischen Text hervor, während die deutsche Übersetzung diesen Hinweis übersieht.