Geniale Spiele ohne Gewalt

Montag, 25. Februar 2019
Sims 4 Release 26. Feber 2019

Spiele wie Doom, Call of Duty, Battlefield & Co

Sie gehören seit Jahrzehnten unumstritten zu den gesellschaftlich fragwürdigen Verkaufsschlagern. Fakt ist aber auch, dass Ego-Shooter nicht bei allen beliebt sind, nicht einmal bei allen Buben und Burschen.  Damit meine ich auch nicht, dass die etwa fanatischen Anhänger von Battlefield auf Call of Duty spielende herab blicken. Nein es gibt coole Spiele ohne Gewalt, Sexismus und Schimpfwörter einen hohen Spielreiz haben und ohne Risiko unterhalten oder gar bilden oder heilsam sind. Auf der Suche nach gewaltfreien Videogames stieß ich auf einen Artikel aus dem Jahr 2013:

"Genial und gewaltfrei - Zehn brillante Videospiele ohne einen Hauch von Gewalt"

Er wurde am 17.11.2013 um 18:00 Uhr von Anne Neukirchner online gestellt.  Battlefields regierten auch damals die Video-Game-Hitlisten. Dies bedeute aber nicht, dass es sich in Videospielen immer nur ums "Kämpfen" drehen müsse, so Neukirchner. Nur weil nicht geballert werde, müsse ein Titel noch lange nicht langweilig sein. Sie versuchte den Beweis anzutreten und zu zeigen euch welche coolen Games es bereits vor 6 Jahren gab die vornehmlich ohne Gewalt auskommen.

  1. Die Sims
  2. Das Puzzle-Plattform-Game Fez vom Indie-Entwickler Polytron Corporation
  3. Harvest Moon machte bereits 1998 das Bauernleben populär, lange bevor der Landwirtschaftssimulator seinen Siegeszug antrat
  4. Playstation Adventure Journey (seit 2015 auf PS4)
  5. Machinarium gehört seit 2009 "in die Kategorie zauberhaft". Es hat alles was ein Point-and-Click-Adventure haben muss, außer Dialoge. Stattdessen kommuniziert man aber über Gesten, Geräusche oder Gedankenblasen. Roboter Josef rettet den Tag und bekommt am Ende seine große Roboter-Liebe und das vor künstlerisch wertvoller Kulisse. Das Spiel läuft allerdings auf Flash und ist daher ziemlich retro. Interessant wäre es das Spiel in Scratch 3.0 in neuem Gewand auferstehen zu lassen.
  6. Mini Ninjas (2009) folgt einer Gruppe namensgebender Mini Ninjas, die einem "bösen, magisch begabten Samurai-Kriegsherrn" das Handwerk legen sollen. Im 10 Jahre alten Actionspiel (der Hitman-Macher IO Interactive) geht es aber nicht um finsteren Meuchelmord. Realitätsnahe grafische Gewaltfolgen, wie Blutlachen oder gar hyperreale abgehackte Köpfe wie bei Gladiator & Co  kann man trotz der heißen Gefechte lange suchen. "Besiegte" Gegner verwandel sich in knuffige Tiere, nachdem ihr Bann gebrochen ist. Spielende gewinnen quasi durch proportionale "Gewaltanwendung/Handlung" wie eine Polizistin die einem Messermann im Affekt das Messer abnimmt und ihn dann beruhigt, wobei Treffer mit einem Zauberschwert die Gegner nicht verletzen sondern ohne Verletzung transformieren. Dieses Spiel ist ein interessant, weil es bis zur Grenze der Gewalt alle Optionen ausreitzt aber eben jenseits der Grenze bleibt. Dies vermittelt kampfeslustigen Buben sicher eine interessante Erfahrung.
  7. Die Myst-Serie aus dem Jahr 2007 zeichnet sich durch ihre wunderschönen und detaillierten sowie surrealen Schauplätze aus. In den Adventure-Spielen gibt es jede Menge Rätzel zu lösen und Geheimnisse zu entdecken, von Gewalt ist aber keine Spur.
  8. Quantum Conundrum (2011) funktioniert wie ein beliebter Ego-Puzzler. Anstatt einer Portalkanone ist man aber mit einem Hightech-Handschuh namens IDS (Interdimensional Shift Device) ausgestattet. Das Testlabor ist in diesem Fall das Haus des Onkels unseres 12 jährigen Spiel-Protagonisten.
  9. SimCity ist eine Computerspielreihe des Unternehmens Maxis, das seit 1997 eine Tochtergesellschaft von Electronic Arts (EA) ist. Es gehört dem Genre der Wirtschaftssimulationen an.
  10. To the Moon (2012) erzählt eine rührende Liebesgeschichte. Hintergrund des Indie-Games ist die Möglichkeit künstliche Erinnerungen zu konstruieren. Diese Technologie wird im Spiel dazu verwendet, Sterbenden ihren letzten Wunsch zu erfüllen. So reist man als Team von zwei Doktoren in die Erinnerung eines alten Mannes, der sich nichts sehnlicher wünscht, als zum Mond zu fliegen.

Beobachtungen bei Jungs die nicht altersadäquate gewalthaltige Spiele konsumieren

Ich habe seit meiner ersten Lehrtätigkeit in der Handelsakadie im Jahr 1997 beobachtet, dass vor allem Mädchen nur selten auf Killerspiele abfahren. Seit 2007 habe ich in Workshops geschlechtssensibel, konfliktpädagogisch mit über 1000 Burschen und Buben im Alter von 6 bis 16 Jahren gearbeit. Bei ihnen habe ich beobachtet, dass jene, welche besonders auf nicht altersadequate Killerspiele mit Macho-Rächer-Helden abfahren oft folgende Ähnlichkeiten haben:

  1. Als wichtigstes positives Ereignis im bisherigen Leben der 8 bis 16 jährigen wird häufig eine prestigeträchtige neue Spielekonsole oder Besitz statusträchtiger Spiele genannt. Statusträchtige Spiele bei verhaltensauffälligen Kids sind oft auch nicht altersadäquat (12+, 16+, 18+ etc.)
  2. Anzeichen für irgendeine gröbere Form der "Vaterentbehrung" und häufig sehr dünne oder gar gekappte Wurzeln in der männlichen Linie (Ich weiß nicht wie mein Vater, heißt und was er arbeitet. Das selbe gilt in der Regel für die beiden Großväter). Extrem Schlechte Beziehungen zum Vater habe ich ebenfalls bei Killerspielfans beobachtet. (zB. "Frage was weißt Du über deinen Vater?" Antwort NN 11 Jahre: "Mein Vater ist ein Arschloch"; Frage: Warum? Antwort: "Weil er meine Mutter schlägt")
  3. Auf die Frage nach den Stärken nennen diese Jungs oft nur eine Gaming-Stärke: zB "PS4 spielen" (Andere Jungs nennen eine Sportart und in der Regel mehrere andere Stärken - die wichtigen Ereignisse im Leben dieser Jungs sind meist nicht oder nicht ausschließlich an den Erwerb von Videogameprodukten verbunden und die Beziehung zum Vater und den Großvätern würden selbst Laien leicht aus besser als bei den offsichtlichen oder heimlichen Killerspielfans)
  4. Als Vorbilder nennen die Buben und Burschen mit häufigen Anzeichen zur Spielsuchtgefährdung, die an gewalthaltige meist nicht altersadäquate Spiele gekoppelt ist, fast immer Phantasiegestalten aus Medien (Filme oder Videogames) die ihre Gegner besiegen.
  5. Diese Jungs trugen in der Regel einen riesigen Problemrucksack mit sich herum und sie zählten meist zur Gruppe mit den größten Herausforderungen für uns Trainer und ihre Lehrerinnen und Lehrer.

Killerspielkonsum ist für Risikogruppen-Jungs ein weiterer Hemmfaktor gelungene Sozialisation und ein Indikator für potententielle oder aktuelle "Problembären"

Heilsame Effekte von Killerspielen wurden meines Wissens bislang aber noch nicht gefunden. Einige sogenannte "Experten" führen zwar immer noch die antike Katharsis-Theorie ins Feld. Sie gilt aber heute als empirisch widerlegt. Trotzdem finden sich immer wieder Experten die diese Ente als Argument ins Feld führen.  Es gibt heute immer mehr Forschungsbefunde, dass Killerspiele bei Risikogruppen ähnlich untaugliche Therapien sind wie Alkohol & Co.

Killerspiele, Gewaltsprache, Sexismus, Drogen und Pornos sollten als wichtige soziale Phänomene zu Hause und im Unterricht selbstverständlich möglichst kompetent und ohne Beschämung und Moralisierung thematisiert und reflektiert werden.  Bob Blume gibt in einem Artikel zu Thema diesbezüglich nüchtern zu bedenken: "Selbst bei breiter Zustimmung (die beispielsweise der Einsatz von Spielen im Unterricht nicht unbedingt zu erwarten hat, man bedenke, dass beispielsweise in Baden-Württemberg selbst der Umgang mit Social Media in der Schule nur sehr eingeschränkt erlaubt ist) bleibt das größte Problem die Umsetzung. Wer in der Lehrerschaft, deren Aus- und Weiterbildung sich größtenteils auf traditionelle Angebote richtet, wäre in der Lage, problematische Themen kritisch zu begleiten?" Aufgrund meiner Beobachtungen in über 200 österreichischen Schulen denke, dass diese Kompetenz in derzeit Österreich nur in Ausnahmefällen hinreichend vorhanden ist. Ich schätze mal keck das ist höchstens bei 4-5 von 100 Volksschullehrererinnen der Fall. Sie sind aber die Schlüsselkräfte für den Bärenanteil der von der Bundesregierung verordneten "Digitalen Kompetenz-Offensive". Unter sonst gleichbleibenden Bedingungen lässt sich unschwer erwarten, dass 95% der Planziele des Bildungsministeriums wieder einmal eher unwahrscheinlich erreicht werden.

Wer Killerspiele oder ihre wahrscheinlichen Folgewirkungen fürchtet ...

Bei allem Thrill und vielleicht auch irgendwie belegbaren Lerneffekten von Killerspielen für eine Karriere im patriarchalen, neo-liberalen Turbokapitalismus und im Militär gibt es einigen Grund zur Skepsis gegenüber Killerspiel-Entwarnern oder gar flockigen Befürwortern. Die Fernwirkungen des derzeit dominaten Verhaltens der Massen laufen - so unken einige der klügsten Köpfe am Planeten, wie der kürzlich verstorbene Stephen Hawking - in Richtung kollektive Selbstauslöschung der Menschheit. Johann Galtung: "Unter kultureller Gewalt verstehen wir jene Aspekte der Kultur, der symbolischen Sphäre unserer Welt ... , die dazu benutzt werden können, direkte oder strukturelle Gewalt zu rechtfertigen oder zu legitimieren. Sternenbanner, Kreuze und Sicheln, Flaggen, Hymnen und Militärparaden, das allgegenwärtige Porträt des Führers, Hetzreden und Plakate - all dies fällt einem dazu ein." Ein Untersuchung von Videogames in diesem Kontext ist mir leider nicht bekannt. Sie wäre wohl komplex und aufwendig, wenn wir bedenken was zur Disposition steht allerdings höchst notwendig für die Entwicklung für Kulturen des Friedens mit friedlichen Mitteln.

... sucht nach attraktiven Alternativen in der Welt der Videogames

Frieden ist, wenn er mehr als zeitweisen Waffenstillstand bedeuten soll, mehr als die Abwesenheit von Gewalt. Die Abwesenheit von Gewalt ist aber eine notwendige Bedingung für Frieden. Sie ist aber keine hinreichende Bedingung für Frieden, der mehr bedeuten soll als die rhetorische Finte eines Politikers. Wie wir gesehen haben gibt es Games, die ohne Gewalt auskommen - oder zumindest nur einen minimalen und nicht ernsthaften Anteil beinhalten - und trotzdem reizvoll sind. Die meisten Videospiele können wir ja durchaus als Kunstwerke betrachten, etwa nach den Regeln der ästhetischen Theorie von Th. W. Adorno. Dies ist an dieser Stelle aber sicher nicht leistbar.

Prosaisch und pragmatisch bemerkt Neukirchner "es ist alles eine Geschmackssache und was dem einen gefällt, findet der andere fürchterlich. Glücklicherweise besitzen Games aber mehr als eine Facette. Es gibt nicht nur Ego-Shooter, ..." Es gibt auch:

  • Strategie-Titel
  • Sportspiele
  • Adventures und so weiter.

Manche Spiele legen ihren Fokus auf

  • eine emotionale Story,
  • andere glänzen durch knifflige Rätsel oder
  • ihren verrückten Humor.

"Videospiele existieren in allen Formen und Farben"

Für friedliche Listen reizvoller Spiele kommen vor allem

  • eine Menge von Indie-Games in Frage, aber auch
  • große AAA-Titel (mit Megabudgets) können ohne Gewaltdarstellung auskommen

und mehr als ihre Kosten einspielen. Neukirchner empfiehlt hier auf jeden Fall

Sport- und Rennspiele

wie "FIFA oder F1".

Schreibt uns wo hattet Spielspaß und Erbauung mit Videogames jenseits von "Killerspielen"?

Ich fand zum Beispiel das Evolutionsspiel "Spore" sehr faszinierend. Hier ist Gewalt zwar eine Option aber nur eine von vielen und eigene Gewalt wird nicht unbedingt belohnt bzw. kann einem einige Runden später ordentlich auf den Kopf fallen.