Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 20. Februar.

Der Krieg im Osten hat nun wieder begonnen. Der Vormarsch nach Dünaburg ist der Anfang. Auch der Ukraine soll Hilfe gebracht werden. Die ukrainische Delegation in Brest-Litowsk hat um Hilfe gefleht. Sic erbat vom deutschen Heer Hilfe zur Rettung der «Früchte unserer jungen Revolution». Und das deutsche Heer, als ob es eine Tradition zu erfüllen hätte, leistet diesem Hilferuf Folge. Der gestrige Generalstabsbericht meldet:

«Von der Ukraine in ihrem schweren Kampf gegen die Großrussen zu Hilfe gerufen, haben unsere Truppen den Vormarsch aus der Richtung Kowel angetreten.»

Das klingt so wie Rühmung einer Pflichterfüllung. Die Ukraine ruft, wir folgen dem Ruf. Die liebe, gute Ukraine, die vor Wochen noch Feindesland war, in das wir Tod und Verderben getragen haben.

Viel zu denken gibt der neue Reichsetat, über den soeben die Zahlen bekannt werden. Das ordentliche Budget zeigt die schwindelhafte Summe von 7332 Millionen, gegenüber 4491 Millionen des vorjährigen Budgets. Das Anwachsen des Budgets ist bedingt durch die für die Reichsschuld erhöhte Zinsenlast, die von 3561 auf 5907 Millionen gestiegen ist. Es werden um nahezu 3 Milliarden neue Steuern erforderlich sein. Ob dieses Zahlenergebnis nicht vielleicht doch als Friedenszeichen aufzufassen ist? Man steht vor der achten Kriegsanleihe. Zum Herbst würde eine neunte fällig werden. Die Zinsenlast der Reichsschuld kann im nächsten Rechnungsjahr zehn Milliarden betragen. Welcher Wahnsinn! Wohin treibt die Blut- und Raubgier der Alldeutschen das deutsche Volk? Jetzt sieben Milliarden, morgen zehn Milliarden Kriegstribut. Das ist der Tod, das ist die Vernichtung. Das Gesellschaftsspiel von 1914 wird von der Menschheit teuer bezahlt. Werden die Alldeutschen einstens zur Rechenschaft gezogen werden?