Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Spiez, 22. August.

Die Reichskanzlerrede im Wortlaut. Nicht ein Fünkchen Wärme, nicht ein Stäubchen Größe! Verärgerte Amtskälte. Das Volk horchte auf, als es von des Papstes Friedensangebot hörte. Dem tragen die Äußerungen des Generalstabsvertreters beim Reichstag keine Rechnung. Es fehlt der Schwung, es fehlt die Idee!

Kein Wunder! Th. Wolff enthüllt diesen Mann etwas, indem er in seinem letzten Montagartikel (20. Aug. Berl. Tagbl.) den Aufsatz zitiert, den Dr. Michaelis im Dezember 1914 in der «Furche», dem Organ der deutsch-christlichen Studentenvereinigung unter dem Titel «Eine neue Zeit» veröffentlichte. Darin sagt er, u. a. alle diejenigen, «die schon ein Auge und ein Ohr für die Offenbarung Gottes in der Weltgeschichte hatten», sehen jetzt klar, «dass das Geschehen in der Welt einem göttlichen Heilsplan entspringt». Zweifellos habe Gott eine besondere Aufgabe für das deutsche Volk. Dann spricht der Reichskanzler der neuen demokratischen Ära Deutschlands von dem «kläglichen Fiasko des Parlamentarismus in England» und der republikanischen Staatsverfassung in Frankreich und stellt die Frage, welcher Demokrat danach die Forderung nach parlamentarischer Herrschaft in Deutschland noch erheben könne. « Wer wird dem Kanzler die Schlinge eines Verantwortlichkeitsgesetzes über den Hals werfen wollen?»

Also anscheinend der richtige Mann an der richtigen Stelle.