Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 4. September.

Zusammenkunft mit Annette Kolb . Tief schmerzgebeugte Frau. Von der Liebe zu beiden Völkern — Deutschland und Frankreich — zerrissen. Sprach über Sch., der ihr zu radikal sei. Will, dass man mit mehr Liebe hassen soll. Entsetzt über die den Deutschen vorgeworfenen Greueltaten. Die Ehre des deutschen Volks retten ist mir wichtiger, sagt sie, als alle Siege. Ich meinte, sie habe sich dabei das schwierigere Teil gewählt. Man müsse protestieren gegen alle jene Schandtaten und zeigen, dass das deutsche Volk nicht identisch ist mit jenen, die gewisse Taten verübt haben. Das müsse noch während des Kriegs geschehen, nur dann ist ein vernünftiger Friede möglich. Ich erinnerte mich dabei an mein Gespräch mit Professor G. Er sagte, die Deutschen haben die Rolle der Juden übernommen. Sie werden verfolgt werden vom Hass der ganzen Menschheit. Das ist, so erwiderte ich, das Schicksal eines jeden Volks, das sich für «auserwählt» hält.

Die Vorgänge in Griechenland sind nicht klar. Aber jedenfalls vollzieht sich dort etwas, das auch diesen Staat an der Seite der Entente in den Krieg führt. In Berlin scheint man schon damit zu rechnen. Dabei tritt man mit den üblichen Fanfarenrufen mit der fünften Kriegsanleihe auf. «Ward je in solcher Laun’ ein Weib gefreit. . . ?»